Zu spät eingegangenes Angebot wird ausgeschlossen!
VK Bund, Beschluss vom 02.05.2022 - VK 1-33/22Es obliegt dem Bieter dafür zu sorgen, dass sein Angebot innerhalb der gesetzten Frist beim Auftraggeber eingeht. Er trägt das Risiko des verspäteten Zugangs, auch wenn dieser auf Fehlern des beauftragten Kurierdienstes beruht.
Der Sachverhalt:
Die Auftraggeberin (AG) machte am 22. Oktober 2021 die Vergabe einer Rahmenvereinbarung über Kauf und Lieferung von Büroverbrauchsmaterial im offenen Verfahren EU-weit bekannt. Die (verlängerte) Angebotsfrist endete am 3. Januar 2022 um 11 Uhr. Die Angebote sollten u.a. anhand ihrer Qualität bewertet werden (Handhabung, Verarbeitung, Funktionstüchtigkeit). Hierzu sollten die Bieter "bis zum Ablauf der Angebotsfrist" Muster vorlegen, anderenfalls sei "eine Besserbewertung im Rahmen des Zuschlags-/Wertungskriteriums Qualität" nicht möglich.
Die Bieterin (B) übergab die beiden Pakete mit ihren Angebotsmustern am 23. Dezember 2021 einem privaten Kurierdienst ohne diesen über den spätestmöglichen Abgabetermin zu informieren. Der Kurierdienst ging fälschlicherweise davon aus, dass die Poststelle der AG zwischen Weihnachten und Neujahr geschlossen sei stellte diese Muster der Antragsgegnerin am ersten Werktag des Jahres, dem 3. Januar 2022 um 12.26 Uhr, also nach Ablauf der Angebotsfrist um 11 Uhr, zu. In den Leistungspositionen, in denen die Antragstellerin Muster vorgelegt hatte, bewertete die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin in den entsprechenden Qualitätskriterien für die betreffenden Produkte mit null Punkten. Nach der Wertung der Antragsgegnerin erreichte das Angebot der Beigeladenen den ersten Platz. Am 9. Februar 2022 teilte die AG dem B mit, dass deren Angebot in Los 1 in der Gesamtbewertung nicht das wirtschaftlichste gewesen sei, weil ihre Muster erst verspätet bei der Vergabestelle eingegangen seien und daher mit null Punkten bewertet worden wären. Die B stellte Nachprüfungsantrag.
Die Entscheidung:
Ohne Erfolg! Das Angebot der B sei gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV (Vergabeverordnung) auszuschließen, da ein für die Wertung relevanter Teil des Angebots - namentlich die Angebotsmuster - nicht vor Ablauf der Angebotsfrist am 3. Januar 2022, 11 Uhr, bei der AG eingegangen seien und dieser Umstand von der B zu vertreten sei. Die Nichtveröffentlichung der Bieterfrage stehe dem Ausschluss nicht entgegen. Die verspätet eingegangenen Angebotsmuster können auch nicht deshalb berücksichtigt werden, weil sie ohnehin nachzufordern gewesen wären. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob eine Qualitätsbewertung des Angebots mit null Punkten, wie von der AG in den Vergabeunterlagen vorgesehen und auch praktiziert, hier überhaupt zulässig sei.
Die B habe den nicht fristgerechten Eingang ihrer Angebotsmuster zu vertreten. Die Verspätung des Eingangs der Angebotsmuster, die Bestandteil des Angebots sind, sei der AG i.S.d. § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV zuzurechnen. Wie nämlich der Wortlaut der Norm zeige, gehe eine Verspätung des Angebotseingangs regelmäßig zu Lasten des Bieters. Eine Ausnahme gelte nur dann ("es sei denn ..."), wenn der B die Verspätung nicht zu vertreten habe. Es obläge also der B dafür zu sorgen, dass ihr Angebot innerhalb der gesetzten Frist bei der AG eingehe, sie trage das Risiko des verspäteten Zugangs.
B müsse sich nach den Rechtsgrundsätzen des § 278 BGB zumindest das Verhalten des von ihr mit der Übergabe der Angebotsmuster beauftragten Kurierdienstes zurechnen lassen, denn dieser Dienstleister sei unzutreffenderweise und ohne weitere Erkundigungen über die tatsächlichen Öffnungszeiten der Poststelle der AG einzuziehen davon ausgegangen, dass die Poststelle der AG zwischen Heiligabend und Silvester 2021 geschlossen sei und habe unstreitig nicht einmal versucht, die Angebotsmuster in diesem Zeitraum an die AG zu übergeben. Die Zustellung sei dann erst am ersten Werktag nach Silvester, am Montag, den 3. Januar 2022 um 12.26 Uhr, fast eineinhalb Stunden nach Ablauf der Angebotsfrist erfolgt. Worauf die Fehlannahme des Kurierdienstes der B über die Öffnungszeiten der Poststelle der AG beruhte, sei unerheblich, denn jedenfalls erfolgte die Zustellung unstreitig erst nach Ablauf der Angebotsfrist.
Darüber hinaus dürfte hier auch die B selbst den verspäteten Zugang der Muster bei der AG zu vertreten haben. Denn die B habe die Muster ihrem Kurier am 23. Dezember 2021, also mehrere Werktage vor Ablauf der Angebotsfrist, übergeben. Hierbei habe sie sich auf die üblichen Postlaufzeiten verlassen, ohne ihrem Kurierdienst zumindest mitzuteilen, bis wann die Zustellung spätestens erfolgen müsse (z.B. "spätestens bis zum 3. Januar 2022, 11 Uhr"). Bei fristgebundenen Postsendungen wie hier sei eine solche Information durch den Absender jedoch insbesondere dann angezeigt, wenn damit zu rechnen ist, dass die Postlaufzeiten etwa wegen eines höheren Aufkommens an Brief- und Paketsendungen länger sind als üblich und/oder dass die Öffnungszeiten der Postannahmestelle des Empfängers möglicherweise vom Üblichen abweichen könne, wie es über die Weihnachtsfeiertage - wie die Antragstellerin selbst einräumt - regelmäßig der Fall sei. Dies habe die B unstreitig nicht getan. Sollten solche zeitlichen Vorgaben bei dem von ihr beauftragten Dienstleister zu dem von ihr gewählten Standardtarif nicht möglich gewesen sein, hätte die Antragstellerin einen anderen Dienstleister oder jedenfalls einen anderen Tarif wählen müssen.
Praxishinweis:
Eine Verspätung des Angebotseingangs geht regelmäßig zu Lasten des Bieters. Dabei hat der Bieter dafür Sorge zu tragen, dass das von Ihm abgegebene Angebot innerhalb der gesetzten Frist beim Auftraggeber eingeht. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Bieter die Verspätung nicht zu vertreten hat, was er wiederum beweisen müsste. Das Risiko des verspäteten Zugangs trägt also im Ergebnis immer der Bieter.
Gemäß § 53 Abs. 1 VgV ist bei EU-Vergaben im Regelfall die elektronische Angebotsabgabe zwingend. Im vorliegenden Fall gab es offenbar allerdings einen - im Vergabevermerk anzugebenden - Grund, weshalb die Angebotsmuster nicht elektronisch eingereicht werden konnten. Voraussetzungen für das Absehen von der elektronischen Angebotsabgabe sind in § 53 Abs. 2 und 4 VgV normiert. Liegen also die Voraussetzungen vor, stellen sich die hier zutreffend bewerteten „Post-Zustellprobleme“ weiter.
Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.