Die richtige Schriftform am Bau: Zuruf versus Unterschrift und Eingangsstempel

Welche Anforderungen bestehen hinsichtlich der Schriftformerfordernisse am Bau? Zwischen Bauherren, Architekt und den ausführenden Firmen herrscht häufig Unklarheit über die Wahl des richtigen Kommunikationsmittels, etwa bei Änderungswünschen oder wenn ein Auftragnehmer Bedenken hinsichtlich der Qualität der Vorarbeiten anmeldet.

Dank leistungsfähiger Mobilfunknetze können auf der Baustelle E-Mails samt Dateianhängen auf dem Smartphone gelesen werden. Messenger-Dienste von Facebook oder WhatsApp erleichtern die Kommunikation. Aber es stellt sich die Frage, ob diese primär privat verwendeten Dienste auch beruflich genutzt werden sollten. Eine Terminabstimmung mag per Telefon oder WhatsApp-Nachricht sinnvoll und am praktikabelsten sein. Bei rechtlich relevanten Erklärungen, etwa im Rahmen von Verträgen, Nachträgen, Mängelanzeigen, Mitteilungen über Kostensteigerungen etc. sollte allerdings die Schriftform gewahrt werden. Denn nur so sind Absprachen, Änderungen oder Bedenkenanmeldungen fachgerecht dokumentiert und im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung nachweisbar. Ebenfalls sorgt die Einhaltung der Schriftform schon während der Bauausführung für Klarheit zwischen den Beteiligten und spätere Auseinandersetzungen können vermieden werden.

Formalien können insbesondere dann im Rahmen einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung entscheidend sein, falls es um die Frage geht, ob etwa eine Kündigungsfrist eingehalten wurde und die jeweilige Partei darlegen und beweisen muss, wer wann welche Information versandt hat beziehungsweise ob und wann diese zugegangen ist. So entschied beispielsweise das Thüringer Oberlandesgericht, dass eine Mängelrüge per E-Mail dem Schriftformerfordernis eines VOB/B-Vertrags nicht genügt. Die Folge: Die Mängelrüge erfolgte verspätet, sodass sich die Verjährungsfrist nicht gem. § 13 Abs. 5 VOB/B verlängert hat (Thüringer OLG, Urteil v. 26.11.2015 – 1 U 201/15 ).

Erschwerend kommt die Unklarheit hinzu, dass während der Bauphase bei den beteilig-ten Firmen häufig Ansprechpartner wechseln. Der beständig bemühte Spruch: „Wer schreibt, der bleibt“ hat auch beim beruflichen Miteinander am Bau seine Geltung. Daher sollte in alle Bauverträge eine („gewillkürte“) Klausel hinsichtlich der Schriftform einfließen.

Schriftformregelungen in BGB und VOB

Hier sind drei Aspekte zu beachten: Erstens setzt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) für die Wirksamkeit bestimmter Erklärungen die Schriftform voraus, so etwa bei der Kündigung des Bauvertrages gemäß § 650h BGB (siehe unten).

Zweitens sind in der VOB/B Schriftformregelungen aufgeführt, an die sich die Vertragspartner im Falle der Einbeziehung der VOB/B halten müssen. Diese betreffen wichtige Vorgänge, wie zum Beispiel die bereits oben erwähnte Mängelrüge nach Abnahme gemäß § 13 Abs. 5 VOB/B oder etwa das Anzeigen von Behinderungen durch den Auftragnehmer (§ 6 Abs. 1 VOB/B). Ferner gilt dies auch für das Anmelden von Bedenken, was die Art der Bauausführung oder die Güte von Stoffen und Baumaterialien betrifft (§ 4 Abs. 4 VOB/B).

Drittens gibt es viele Fälle, in denen weder das BGB noch die VOB/B Vorgaben machen. Insoweit sollten sich die Vertragsparteien selbsttätig individuelle („gewillkürte“) Kommunikationsregeln auferlegen. Dies gilt zum Beispiel für den Fall, dass die Menge an kalkulierten Baumaterialen nicht ausreicht und nachbestellt werden muss und der beauftragte Unternehmer hierfür einen neuen Einheitspreis einfordert (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B). Auch den Wunsch nach Mehrvergütung aufgrund einer Änderung des Bauentwurfs sollte der Auftragnehmer gemäß einer zuvor vereinbarten Schriftform seinem Auftraggeber mitteilen (§ 2 Abs. 7 Nr. 2 VOB/B). Kurz: Für alle Bereiche, die die Entlohnung, Terminverschiebungen, Vertragsänderungen oder Unzulänglichkeiten hinsichtlich Bauqualität und Mengen betreffen, sollte die Schriftform vereinbart werden.

Schriftformregeln in die vertraglichen Schlussbestimmungen aufnehmen

Ratsam ist es, diese in den vertraglichen Schlussbestimmungen aufzuführen. Dabei sollte beispielsweise festgelegt werden, in welcher Form die Vertragspartner wichtige Informationen austauschen. Insoweit kann zum Beispiel bestimmt werden, dass eine E-Mail bei vertragsrelevanter Korrespondenz nicht ausreicht. Darunter fällt aber auch Schriftverkehr, falls ein Bauhandwerker oder Architekt Bedenken hinsichtlich der Qualität der Vorarbeiten einer anderen Firma anmeldet.

Solche Mitteilungen sind wichtig, um einer möglichen Haftung zu entgehen. Deshalb sollte in den Bauvertrag aufgenommen werden, dass ein entsprechendes Schreiben vorab per E-Mail übermittelt und zusätzlich per Post und/oder Telefax an die betreffenden Adressaten verschickt werden muss. Diese Vorgehensweise mag antiquiert wirken, macht aber Sinn, wenn man bedenkt, wie häufig eingehende E-Mails, die unterwegs oder auf der Baustelle rasch auf dem Smartphone oder Tablet überflogen werden, später untergehen oder ihre Bedeutung nicht adäquat zur Kenntnis genommen wird. Daher ist es ratsam, insbesondere vertragsrelevante Schreiben zusätzlich per Post oder Fax zu übermitteln, damit die Verantwortlichen der Korrespondenz die angebrachte Aufmerksamkeit zukommen lassen können.

Alternativ kann bei größeren Bauprojekten, bei denen mindestens einmal die Woche eine Baubesprechung stattfindet, auf wichtige Schriftstücke, die in der Zwischenzeit ausgetauscht wurden, Bezug genommen werden. Die involvierten Personen bestätigen bei diesen Meetings, dass diese zu dem betreffenden Datum bei Ihnen – unter Umständen per E-Mail – angekommen sind. Diese Aussagen fließen in das anschließend schriftlich zu erstellende Protokoll ein. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, die genannten Schreiben zusätzlich als Anhang zum Protokoll zu nehmen.

Gesetzliche Schriftform für Vertragsvereinbarungen

Das BGB enthält für bestimmte Verträge strenge Vorgaben an die Schriftform (§126 BGB). Darunter fallen beispielsweise Verbraucherdarlehensverträge oder der Bürgschaftsvertrag. Kündigungen von Miet- und Arbeitsverträgen bedürfen ebenfalls der Schriftform. Ferner zählt zum gesetzlichen Schriftformerfordernis, dass beide Parteien auf derselben (Original-)Vertragsurkunde unterzeichnen.

Ebenfalls kann die Schriftform in elektronischer Form eingehalten werden (§ 126a BGB). Hierfür bedarf es allerdings einer qualifizierten elektronischen Signatur. Dies ist technisch aufwendig und wird derzeit kaum genutzt. Zum einen muss man sich für die Ausstellung einer qualifizierten Signatur bei einem Zertifizierungsdienst anmelden; zum anderen ist diese Dienstleistung kostenpflichtig.

Die beim Bau üblichen Verträge sind überwiegend nicht von diesen hohen Schriftformerfordernissen betroffen – mit Ausnahme der Kündigung. Für alle Rechtsgeschäfte, die nicht der gesetzlichen Schriftform bedürfen, sieht das Gesetz die Möglichkeit einer freiwillig vereinbarten Schriftform vor (§ 127 BGB). Hier gelten geringere Anforderungen. Soweit kein anderer Wille anzunehmen ist, genügt die Textform, also insbesondere die Übermittlung per Telefax oder E-Mail, zur Wahrung der Form. Wegen der eingangs geschilderten Nachweisproblematik sollte aber auch auf die Wirksamkeit der bloßen Textform verzichtet werden und in allen Bauverträgen eine Klarstellung erfolgen, dass das Versenden von E-Mails die vertragliche Schriftform nicht wahrt.

Telefonate und Messenger-Dienste sollten ausschließlich für einfache Mitteilungen genutzt werden. Denn neben der Flüchtigkeit und möglichen rechtlichen Wertlosigkeit dieser Kommunikationsmittel werden diese Nachrichten nicht immer fachgerecht in der Bürosoftware archiviert, wenngleich dies bei den meisten Anbietern möglich ist.

In der Vertragsvereinbarung sollten ebenfalls die bezüglich des Bauvorhabens vertretungsberechtigten Personen mit allen Kontaktdaten aufgeführt werden. Ändern sich vertretungsberechtigte Ansprechpartner, sollte dies in einem Nachtrag zum Bauvertrag festgehalten werden. Bei größeren Projekten werden derartige Schriftformklauseln immer vertraglich aufgenommen. Aber auch bei kleineren Bauvorhaben, bei denen die Verträge nicht so umfassend sind, sollten die Verantwortlichen diese Formalien und Zuständigkeiten ebenfalls im Vertrag berücksichtigen. Schließlich sind gerade Architekten als Bindeglied zwischen Bauherren und Baufirmen wichtige Ansprechpartner im Falle von Verzögerungen, Mängelanmeldung und der Kontrolle von Stundenlohnzetteln. Es liegt ganz besonders in ihrem Interesse zu bestimmen, wie mit relevanter Korrespondenz umgegangen werden soll.

Verbindliche Vereinbarungen treffen

Jede Vereinbarung ist aber unnütz, wenn die Parteien die vereinbarte Schriftform nicht einhalten, diese im Alltag auf der Baustelle nicht gelebt wird. So unkompliziert, schnell und einfach es ist, auf dem Bau auf Zuruf zu arbeiten, so wichtig ist es, sich an die Formalien zu halten und andere Vertragspartner, die es damit nicht so eng sehen, bei Verstößen an die Einhaltung zu erinnern. Denn dies ist ein häufig anzutreffendes Problem: Zu Beginn der Baumaßnahme werden die formalen Vereinbarungen befolgt, nach einigen Monaten leider dann eher nachlässig behandelt.

Konkludentes Verhalten: formal legitim, aber mit Gefahren

Schriftformregelungen könnten durch konkludentes Handeln umgangen werden. Hiernach könnte auch ohne schriftlichen Vermerk oder Unterschrift eine Vereinbarung Bestand haben, falls sich beide Vertragspartner entsprechend verhalten. So kann beispielsweise die Ingebrauchnahme einer Bauleistung als Abnahme gewertet werden, ohne dass diese formal durchgeführt wurde. Vorteilhaft wäre indes, im Sinne der späteren Beweislast, dass derartige Willenserklärungen verschriftlicht werden. Denn häufig streitet man sich über Fragen im Zusammenhang mit konkludenten Erklärungen vor Gericht.

Was die Vertragspartner am Bau in Sachen Schriftform beachten sollten:

– Das BGB sieht einige Schriftformerfordernisse vor, die VOB/B auch. Aber beide gehen nicht allumfassend auf die Bedürfnisse im Zusammenhang mit einer rechtssicheren Dokumentation ein.

– Für alle weiteren wichtigen Formalien, die Vergütung, Beauftragung und Abnahmen betreffen, sowie Über- und Unterschreitungen von Mengen sollten in allen Bauverträgen individuelle Schriftformvereinbarungen fixiert werden.

– Auch wenn die gesetzlichen Anforderungen gering sind, formell genügt zum Teil eine E-Mail oder SMS, sollten höhere, „gewillkürte“ Schriftformerfordernisse vereinbart werden.

– Auch sollten Kontaktpersonen als Adressaten, die informiert werden müssen, benannt werden.

– Bei größeren Projekten mit regelmäßigen Jour Fixes kann alternativ der Zugang von Schreiben und Informationen mündlich bestätigt werden und dies in das spätere Protokoll einfließen.

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