Aus der Rechtsprechung

Eintragung in die Architektenliste mit dreijährigem Diplomabschluss

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.03.2023 - 4 A 3106/21

Ein dreijähriger, bis spätestens 17.01.2014 an einer Fachhochschule erworbener Diplomabschluss, der den Anforderungen gem. Art. 49 Abs. 3 Richtlinie 2005/36/EG (Berufsanerkennungsrichtlinie) genügt, verbunden mit einer vierjährigen Berufserfahrung, berechtigt zur Eintragung in die Architektenliste. Auch Inländer:innen können sich auf die Gleichwertigkeit der in Art. 49 Abs. 3 Richtlinie 2005/36/EG aufgeführten Qualifikation berufen.

Der Sachverhalt:


Der 1961 geborenen Kläger begehrte die (erneute) Eintragung in die Architektenliste. Der Kläger war von 1984 bis 1990 an einer Fachhochschule im Studiengang Architektur(Hochbau) immatrikuliert. Am 15.11.1989 wurde dem Kläger, nachdem er nach dreijähriger Regelstudienzeit seine Abschlussprüfung abgeschlossen hatte der Diplomgrad „Diplom-Ingenieur (Dipl. –Ing.)“ verliehen. Nach zweijähriger Berufspraxis wurde der Kläger im September 1995 erstmals in die Architektenliste der Beklagten eingetragen. Eine Löschung dieser Eintragung erfolgte auf den Antrag des Klägers im Mai 1998. Im Juni 2004 wurde der Kläger erneut in die Architektenliste eingetragen. Diese Eintragung wurde wiederum auf seinen Antrag mit Wirkung zum 31.12.2017 gelöscht. Im Mai 2021 stellte der Kläger bei der Architektenkammer erneut einen Antrag auf Eintragung in die Architektenliste. Mit Beschluss vom 23.6.2021 lehnte der Eintragungsausschuss der Beklagten die Eintragung des Klägers in die Architektenliste ab. Eine Neuaufnahme des Klägers komme nicht in Betracht, weil anders als früher die Eintragung in die Architektenliste nunmehr nach § 4 BauKaG-NW einen Abschluss in der Fachrichtung Architektur mit einer mindestens vierjährigen Regelstudienzeit voraussetze, über den der Kläger nicht verfüge. Dagegen erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Dagegen ging der Kläger in Berufung.
 
Die Entscheidung:


Mit Erfolg! Das Oberverwaltungsgericht gab der Berufung statt und verpflichtete den Eintragungsausschuss der Architektenkammer, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu über den Eintragungsantrag zu entscheiden.
Die Ablehnung der Eintragung des Klägers in die Architektenliste sei rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei bei Klagen auf Verpflichtung zur Eintragung in die Architektenliste grundsätzlich derjenige der letzten mündlichen Verhandlung bzw., falls diese fehlt, derjenige der gerichtlichen Entscheidung.
Danach sei hier zwar das Baukammerngesetz NRW vom 1.12.2021 - BauKaG-NW anwendbar. Der Kläger habe jedoch in Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur einen ausreichenden Nachweis im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 BauKaG-NW a. F. erbracht.
Der Nachweis über den erfolgreichen Abschluss einer am 05.08.1985 bestehenden, spätestens am 17.1.2014 begonnenen dreijährigen Ausbildung an einer Fachhochschule in der Bundesrepublik Deutschland, die den Anforderungen des Art. 46 Abs. 2 der RL 2005/36/EG entspreche und die Aufnahme der in Art. 48 der RL 2005/36/EG genannten Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland unter der Berufsbezeichnung "Architekt" ermögliche, ergänzt um den Nachweis einer vierjährige Berufserfahrung, stelle in Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur einen „gleichwertigen“ Nachweis dar. Der Wortlaut des Gesetzes und die Normsystematik stünden einem solchen Normverständnis nicht entgegen. Bei allen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union - hierzu zählen auch deutsche Staatsangehörige - gelten die Nachweise nach Art. 49 der RL 2005/36/EG als gleichwertig zu den geforderten Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur.
Nach alledem seien die Voraussetzungen für die Eintragung in die Architektenliste in Bezug auf die Studienanforderungen in der Fachrichtung Architektur erfüllt. Der Kläger habe einen gleichwertigen Nachweis nach Art. 49 Abs. 3 der RL 2005/36/EG erbracht. Das Studium war hauptsächlich auf Architektur ausgerichtet und entsprach den Anforderungen des Art. 46 Abs. 2 der RL 2005/36/EG. Die Ausbildung des Klägers ermögliche zudem die Aufnahme der in Art. 48 der RL 2005/26/EG genannten Tätigkeiten in Deutschland unter der Berufsbezeichnung "Architekt". Der von September 1995 bis Mai 1998 sowie von Juni 2004 bis Dezember 2017 in der Architektenliste eingetragene und in dieser Zeit einschlägig berufstätige Kläger, der schon vor seiner ersten Eintragung in die Architektenliste eine zweijährige Berufspraxis nachweisen musste, verfüge auch über die erforderliche vierjährige Berufserfahrung.
 
Praxishinweis:


Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, der nordrhein-westfälische (oder jeder andere) Landesgesetzgeber habe Absolvent:innen eines früheren deutschen Architektur-Fachhochschul-Diplomstudiengangs in Nordrhein-Westfalen schlechter stellen wollen als in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Ein verfassungsrechtlich schutzwürdiger Vertrauensschutz und Besitzstand wurde also nicht erst durch die Eintragung in die Architektenliste geschaffen sondern bereits durch die Berufsausbildung und die Berufspraxis, die Voraussetzung für die Eintragung und die daraus folgende Berechtigung waren und sind. Im Ergebnis ist also auch in Deutschland von Deutschen eine „Gleichwertigkeit“ der Berufsausbildung als Architekt (dies gilt vermutlich in gleicher Weise auch für andere Berufsgruppen) dann anzuerkennen, wenn eine solche auch in einem europäischen Drittland anzuerkennen wäre. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein!

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