Sehnsuchtsorte?
Polykatoikia? Länger nichts über die in griechischen Städten sehr verbreitete Wohnbautypologie gelesen und nun, in Anbetracht der vorliegenden Publikation dämmert es wieder: Polykatoikia sind eine Variante des in Europa realisierten Nachkriegswohnungsbaus (Krieg 1914–18), dessen typisierte Bau- und Gestaltungselemente sowie liberalisierte Bauvorschriften den Wohnungsneubau aus verschiedenen Gründen beschleunigen sollten.
Heute läuft man in Athen – die Stadt ist voll von einem Gebäudetyp und von daher Gegenstand dieser Betrachtung – an verschiedensten Erscheinungsformen der in sich geschlossenen Apartmentblöcke vorbei. Seit dem Ende der 1920er-Jahre hat sich Polykatoikia zu einem Wohnideal aller Schichten entwickelt, mittlerweile allerdings sind viele dieser Bauten derart patiniert, dass man sich Sorgen um ihren Fortbestand machen könnte.
Da erscheint es passend, dass sich ein Architekt und ein Fotograf aufgemacht haben, den Bestand zu sichten, nach Zeiträumen zu gliedern und uns das so Zusammengetragene über aktuelle Fotografien und neugezeichnete Grundrisse zu erhalten.
Nach einer kurzen Einleitung ins große Thema kommen dann 74 Projektdokumentationen, meist auf einer Doppelseite, manchmal mit mehr Seiten. Grundriss, Kurzbeschreibung, Foto. Meist Außenaufnahmen, manchmal geht es auch nach innen. Zwischen die Dokumentationen sind – auf anderem Papier gedruckt –in drei Blöcken detaillierte Untersuchungen zu Einzelthemen gestellt: Erschließung, Empfang, Straßen-/Rückseite, Loggien, Lobby ... Und jeweils abschließend ein Ausblick auf Rezeption/Weiterarbeit gestern und heute.
Dass das Buch eine zweite Auflage erlebte, die bereits wieder vergriffen ist, zeigt, welche Sehnsucht es nach dem Thema Urbanes Wohnen gibt. Es zeigt aus meiner Sicht aber auch, dass das, was wir uns heute immer wieder neu in die Stadt stellen, nicht dem entspricht, was unsere Sehnsucht ausmacht: Patina, Gebrauch, Oberflächengeschichten und ja: auch Nachbarschaft im eigenen Haus. Die vom Verfasser gestellte Frage nach Potenzial und Transformationskraft dieses wieder einmal neu entdeckten Gebäudetyps ist in dieser Arbeit beantwortet: Es ist riesig! Be. K.