Aus der Rechtsprechung

Was wird im Rahmen der LPH 9 HOAI geschuldet?

Urteil: OLG Rostock, 07.09.2021 (4 U 44/17), bestätigt durch BGH, 12.06.2024 (VII ZR 847/21)

Im Rahmen der Leistungsphase 9 HOAI wird nicht mehr und nicht weniger geschuldet als das, was vertraglich vereinbart worden ist.

Ein öffentlicher Auftraggeber beauftragte im Jahr 2001 einen Ingenieur mit Leistungen für eine Schmutzwasserkanalisation. Der Vertrag enthielt eine Auflistung der geschuldeten Leistungen. Dort steht unteranderem für die Leistungsphase 9 HOAI 1996: "Der Auftraggeber überträgt dem Ingenieur folgende für die Bearbeitung der Bauaufgabe erforderlichen Grundleistungen der folgenden Leistungsphasen (§ 55 Abs. 1, 2 HOAI), die in v.H. des Honorars nach § 56 HOAl bewertet sind: (...) 4.9. Objektbetreuung und Dokumentation - Überwachen der Beseitigung von Mängeln innerhalb der Gewährleistungsfristen und Dokumentation des Gesamtergebnisses 3%".

Nach der Abnahme der Bauleistungen im Jahr 2007 und nach dem Ende der Gewährleistungsfrist 2012 stellte sich heraus, dass mehrere Mängel unentdeckt geblieben waren. Der Ausführende verweigerte aufgrund der Verjährung die Beseitigung. Der AG verlangte daraufhin vom Ingenieur wegen der verpassten vorherigen Geltendmachung von noch unentdeckten Mängeln Schadensersatz in Höhe von 211.000 Euro für die Mängelbeseitigungskosten und für eine Wertminderung von 23.400 Euro.

Gerichtsentscheidung: Keine Pflichtverletzung durch den Ingenieur

Das Oberlandesgericht Rostock (OLG) wies die Klage des Auftraggebers ab, und der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte diese Entscheidung durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde. Der Ingenieur habe keine vertraglichen Pflichten verletzt. Konkret habe der Ingenieur keine Verpflichtung übernommen, vor Ablauf der Gewährleistungsfrist Mängel systematisch zu identifizieren oder den AG auf den bevorstehenden Fristablauf hinzuweisen.

Der Vertrag enthielt ausdrücklich nur die Verpflichtung zur Ausführung der definierten Grundleistung der Leistungsphase 9 nach HOAI 1996, ohne dass darin eine abschließende Objektbegehung enthalten war. Die abschließende Objektbegehung vor Gewährleistungsende stellt eine Teilleistung der Leistungsphase 9 HOAI 1996 dar. Nach dem konkreten im Vertrag definierten Leistungssoll, war aber keine Verpflichtung aufgenommen worden, dass der Ingenieur eine solche Begehung durchführen sollte. Die Teilleistung wurde nicht ins Leistungssoll aufgenommen. Die Tatsache, dass für diese Teilleistung das volle Honorar der Leistungsphase 9 vereinbart wurde, ändere nichts an der vertraglichen Auslegung. Die HOAI ist ein Preisrecht und definiert nicht das Leistungssoll eines Architekten oder Ingenieurs. Zudem folge eine Pflicht zur Begehung oder ein Hinweis auf ablaufende Verjährungsfristen nicht aus einer etwaigen Sachwalterstellung des Ingenieurs.

Die Entscheidung macht deutlich, wie wichtig es ist, dass konkrete Leistungssoll des Architekten/Ingenieurs vertraglich zu regeln. Die HOAI ist diesbezüglich nur beschränkt geeignet, da sie allein ein Preisrecht ist und demnach die Vergütung von erbrachten Architekten/Ingenieurleistungen regelt. Sie regelt aber nicht das Leistungssoll. Hier war der Vertrag derart unglücklich formuliert, dass die Begehung vor Gewährleistungsende im Leistungssoll nicht aufgeführt war, sodass dem Ingenieur am Ende kein Vorwurf gemacht werden konnte und der Auftraggeber auf dem Schaden sitzen bleibt.


Foto: Privat

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