Aus der Rechtssprechung

Architektenplanung per E-Mail bestellt: Nicht belehrter Rechtsanwalt muss nicht zahlen

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 26.06.2023 - 2-26 O 144/22

Bei einem per E-Mail geschlossenen Architektenvertrag handelt es sich um ein Fernabsatzgeschäft, wenn die Parteien für den Vertragsschluss ausschließlich per Fernkommunikationsmittel kommuniziert haben. Ein Verbraucher hat ein Widerrufsrecht, wenn er einen Fernabsatzvertrag geschlossen hat. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Einem Verbraucherwiderruf steht nicht entgegen, dass der Widerrufende als Rechtsanwalt tätig ist und somit über rechtliche Kenntnisse verfügt. Denn auch eine als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin berufstätige Person ist grundsätzlich Verbraucher.

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt schloss am 13. Juni 2022 per E-Mail mit einem Architekten einen Architektenvertrag betreffend den An- und Umbau eines Einfamilienhauses zu einem Drei-Familienhaus. Eine Widerrufsbelehrung seitens des Architekten erfolgte im Rahmen des Vertragsschlusses nicht. Der Architekt warb auf seiner Homepage um eine Kontaktaufnahme und ein Kennenlernen via E-Mail, Telefon oder Videocall. Der Architekt erbrachte die Leistungsphasen 1 bis 4 und rechnete diese auf Stundenbasis ab. Der Rechtsanwalt leistete drei Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 23.102,13 Euro. Eine vierte Abschlagsrechnung über 11.284,26 Euro zahlte er nicht mehr, sondern erklärte mit E-Mail vom 28. November 2022 den Widerruf des Vertrages. Mit einer daran anschließenden Klage verlangte er die Rückzahlung der geleisteten Abschläge und begehrte die Feststellung, dass dem Architekten kein Anspruch auf Zahlung der weiteren Abschlagsrechnung zusteht.

Der Rechtsanwalt ist der Ansicht, aufgrund des erklärten Widerrufs habe sich das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Insbesondere sei er an der Ausübung des Widerrufsrechts auch nicht aus Gesichtspunkten von Treu und Glauben gehindert. Die vom Architekten bis dato erstellte Planung sei nicht fertiggestellt und aufgrund von verschiedenen Mängeln unbrauchbar.

Der Architekt ist der Ansicht, es liege der Ausnahmetatbestand des § 312c Abs. 1 BGB vor, weil er normalerweise nicht über Fernkommunikationsmittel Verträge abschließe. Es handele sich hier um eine Ausnahme, da der Rechtsanwalt bereits über Pläne seines zuvor beauftragten Architekten verfügt hätte. Darüber hinaus handele es sich um eine unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB, da der Rechtsanwalt bei Vertragsschluss sein Widerrufsrecht gekannt hätte.

Entscheidung

Die Klage des Rechtsanwalts hat Erfolg! Der Rechtsanwalt habe gegen den Architekten einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Architektenhonorars in Höhe von 23.102,13 Euro sowie auf Feststellung des Nichtbestehens weiterer Ansprüche des Architekten. Gemäß § 355 Abs. 1 BGB seien Verbraucher und Unternehmer an die auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn dem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht zugestanden hat und die Willenserklärung durch diesen fristgerecht widerrufen wurde.

Im Falle eines wirksamen Widerrufs seien die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Der Rechtsanwalt habe gegenüber dem Architekten mit Schreiben vom 28. November 2022 wirksam den Widerruf des Architektenvertrages erklärt. Dem Rechtsanwalt stehe ein Widerrufsrecht zu, da zwischen den Parteien ein Fernabsatzvertrag geschlossen wurde. Zunächst sei der Rechtsanwalt auch als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB anzusehen, der Architekt sei Unternehmer im Sinne des § 14 BGB. Auch eine als Rechtsanwalt berufstätige Person sei grundsätzlich Verbraucher. Der Rechtsanwalt habe den Vertrag unstreitig nicht zu gewerblichen oder berufsbedingten Zwecken, sondern aus privaten Gründen geschlossen. Ferner handele es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrag auch um einen Fernabsatzvertrag, da die Parteien für den Vertragsschluss ausschließlich per E-Mail und damit per Fernkommunikationsmittel kommuniziert haben. Das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge ergebe sich für Verbraucher aus § 312g Abs. 1 BGB.

Der Architekt trage die Darlegungs- und Beweislast für den gesetzlich als Ausnahmetatbestand formulierten Fall, dass der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatzvertrag organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt ist, wenn ausschließlich Fernkommunikationsmittel genutzt wurden. Hinsichtlich des gesetzlich normierten Ausnahmetatbestandes habe der Architekt lediglich pauschal behauptet, dass es sich bei dem Vertragsschluss mit dem Rechtsanwalt via E-Mail um eine Ausnahme gehandelt habe und die Verträge mit den Kunden normalerweise nicht mit Fernkommunikationsmitteln geschlossen würden, sodass es sich bei ihr nicht um ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem handele. Bewiesen habe er diese Behauptung nicht.

Der Widerruf sei auch fristgemäß erfolgt. Grundsätzlich beginne die Widerrufsfrist bei Verbraucherverträgen zwar mit dem Vertragsschluss beginnt jedoch die nicht zu laufen, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend unterrichtet habe. Vorliegend sei eine Widerrufsbelehrung vollständig unterblieben. Aufgrund des wirksamen Widerrufs sei der Rechtsanwalt nicht zur Zahlung von Architektenhonorar verpflichtet. Diese Information müsse dem Verbraucher erteilt worden sein, bevor dieser von dem Unternehmer die Ausführung der Dienstleistung verlangt. Dies sei nicht erfolgt. Ein Anspruch des Architekten auf Wertersatz scheide daher aus.

Die Ausübung des Widerrufsrechts des Rechtsanwalts sei entgegen der Ansicht des Architekten auch nicht rechtsmissbräuchlich. Allein die Tatsache, dass der Rechtsanwalt kurz nach Abschluss den Vertrag mit dem Architekten widerrief, genüge für die Annahme des Rechtsmissbrauchs auch im Zusammenspiel mit der Tatsache nicht, dass es sich bei dem Kläger um einen Rechtsanwalt handle. Denn an die Annahme eines rechtmissbräuchlichen Verhaltens beim Verbraucherwiderruf seien hohe Anforderungen zu stellen, weshalb dies nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden könne. Bei der Entscheidung, ob es sich um ein rechtmissbräuchliches Berufen auf eine Rechtsposition handle, seien die Interessen aller Umstände zu berücksichtigen. Umstände, die hier ein besonders rücksichtsloses oder gar arglistiges Verhalten der Kläger begründen könnten, seien nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass es sich bei dem Kläger um einen Rechtsanwalt handle, führe zu keinem anderen Ergebnis, da ansonsten der Verbraucherbegriff des § 13 BGB unangemessen eingeschränkt würde.

Dass der Rechtsanwalt die vom Architekten erbrachten Planungsleistungen dabei teilweise verwertet habe, stehe einem Widerruf ebenfalls nicht entgegen. Sinn und Zweck des Widerrufs sei gerade, dass der Verbraucher sich einseitig von einem Vertrag lösen könne. Eine Motivprüfung finde in diesen Fällen gerade nicht statt, vielmehr dürfe der Verbraucher das ihm eingeräumte Widerrufsrecht zu seinem Vorteil nutzen, wenn die Grenze der Arglist und Schikane nicht überschritten ist. Als Ausgleich für bereits erbrachte Leistungen stelle das Gesetz dem Unternehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Wertersatz zur Verfügung. Damit werde dem Umstand hinreichend Rechnung getragen, dass der Unternehmer Vorleistungen erbracht habe. Die Tatsache, dass - wie im hier zu beurteilenden Fall - die Voraussetzungen zur Zahlung von Wertersatz nicht vorliegen, führe noch nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit des erklärten Widerrufs. Die empfangenen Leistungen seien bei einem wirksamen Widerruf zurückzugewähren. Vorliegend haben die Kläger an die Beklagte unstreitig insgesamt 23.102,13 Euro an Abschlagszahlungen geleistet. Der Rechtsanwalt könne darüber hinaus die Feststellung verlangen, dass dem Architekt kein Anspruch auf weitere Zahlung zusteht.

Praxishinweis

Ein Verbraucher ist nach einem erklärten Widerruf nicht zur Zahlung von Architektenhonorar oder Wertersatz verpflichtet, wenn der Architekt den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über die Pflicht zur Zahlung eines angemessenen Betrags für den Fall des Widerrufs informiert hat.

Dennoch kann das Vorgehen des Rechtsanwalts aus moralischer Sicht als fragwürdig betrachtet werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass er bereits einen zuvor geschlossenen Architektenvertrag widerrufen hatte. Es ist jedoch zu beachten, dass § 361 Abs. 1 BGB keine Hindernisse für Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche des Architekten gegen den Verbraucher aufgrund einer Verletzung seiner Rückgabeverpflichtung darstellt, die dieser im Wege der Widerklage geltend machen könnte.



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