Aus der Rechtssprechung

Kein Architektenhonorar trotz umfangreicher Planungsleistungen!

OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2021 – 5 U 147/20; BGH, Beschluss vom 29.03.2023 – VII ZR 882/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Die Frage, ob ein Architektenvertrag zu Stande gekommen ist, ist nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Auslegungskriterien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die bei der Ermittlung eines gemeinsamen übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Willens von Bedeutung sind, zu beantworten. Eine vergütungspflichtige Beauftragung ergibt sich nicht allein aus dem Tätigwerden eines Architekten. Die Vorschriften der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) sind als reines Preisrecht insoweit nicht behilflich.

Der Sachverhalt:

Ein Architekt schloss 2008 mit einer Stadt einen Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Hotel H“. Dieser sah vor, auf dem Gelände des alten Postgebäudes unter Nutzung des Altbestandes ein Hotel mit angeschlossener Gastronomie zu errichten und zu betreiben. In 2011 trat der Architekt an einen Investor heran und schlug diesem ein gemeinsames Wohnprojekt auf einem Teil des Geländes vor. Dieser gründete daraufhin eine Projektgesellschaft. In den Jahren 2011 bis 2015 erbrachte der Architekt verschiedene Planungsleistungen. Aus zwischen den Parteien streitigen Gründen kam das Projekt nicht zur Umsetzung. Mit Rechnung vom 13. Juli 2017 rechnete der Architekt gegenüber der Projektgesellschaft bezüglich der von ihm erbrachten Architektenleistungen ca. 75.000 € ab. Da die Projektgesellschaft nicht zahlte erhob der Architekt Zahlungsklage.

Die Entscheidung:

Jedoch ohne Erfolg! Der Architekt konnte nicht beweisen, dass zwischen Ihm und der Projektgesellschaft ein Architektenvertrag geschlossen wurde.

Eine vergütungspflichtige Beauftragung ergebe sich nicht allein aus dem Tätigwerden eines Architekten. Die Vorschriften der HOAI seien als reines Preisrecht insoweit nicht behilflich. Auch die Vermutungsregelung des § 632 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach eine Vergütung als vereinbart gilt, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, erstrecke sich nicht auf die Auftragserteilung selbst. Die Anwendung dieser Vorschrift setzte daher voraus, dass es überhaupt zu einer schuldrechtlichen Bindung der Parteien gekommen sei. Aus dem Tätigwerden eines Architekten allein könne allerdings noch nicht auf eine entsprechende Bindung geschlossen werden; erforderlich sei vielmehr, dass dem Tätigwerden eine Willensübereinstimmung (Einigung) beider Teile und ein entsprechender beiderseitiger Bindungswille zu Grunde liege. Für die Bestimmung des Zustandekommens eines Architektenvertrages seien die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Auslegungskriterien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls heranzuziehen, die bei der Ermittlung eines gemeinsamen übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Willens von Bedeutung seien. Insbesondere sei zu ermitteln, ob die Parteien schon die Akquisitionsphase verlassen hätten. Eine vergütungsfreie akquisitorische Phase solle nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) spätestens dann enden, wenn eine Vergütungsvereinbarung getroffen werde. Sie ende auch dann, wenn die Leistung des Architekten angenommen und verwertet werde. Dabei könne einer rechtsgeschäftlichen Bindung entgegenstehen, wenn der Architekt darum wisse, dass die Durchführung des Bauvorhabens noch nicht gesichert sei. Bei Großprojekten sei zu berücksichtigen, dass Architekten häufig bereit seien, auch umfangreiche Architektenleistungen zu erbringen, um eine mögliche, aber noch nicht gesicherte Realisierung zu fördern. Der/die Initiator(en) bzw. Investor(en) und der Architekt würden in dieser Projektentwicklungsphase regelmäßig eine Projektentwicklungsgemeinschaft bilden und säßen dann gemeinsam "in einem Boot" in der Hoffnung, bei einer Verwirklichung des Bauvorhabens einen interessanten Auftrag zu erhalten.

Auch von einem konkludenten Abschluss eines Architektenvertrages könne nicht ausgegangen werden, wenn Mitarbeiter von Baugesellschaften - ggf. sogar angestellte Architekten - Architektenleistungen (insbesondere Planungsleistungen) mit dem Ziel erbringen, einen Baubetreuungs-, Bauträger-, Fertighaus- oder Unternehmervertrag abzuschließen. Insoweit würden die Planungsleistungen in aller Regel nur zur Abgabe eines Angebotes, also zur Vorbereitung des eigentlichen Bauvertrages, erbracht und haben keinen eigenständigen Charakter. Werde indes ein Generalunternehmer, der auch Architekt ist, nur mit Planungsleistungen und nicht mit Bauleistungen beauftragt, sei von einem Planungsvertrag auszugehen. Etwas anderes würde aber gelten, wenn aufgrund eines einheitlichen Vertrages neben Architektenleistungen auch Bauleistungen erbracht werden sollten und die Leistungserbringung in einem "Paket" erfolgen sollte.

Darlegungs- und beweisbelastet für den Abschluss eines vergütungspflichtigen Architektenvertrages sei der Architekt. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Auftraggeber behaupte, es seien bestimmte Bedingungen (z.B. "wenn gebaut wird") vereinbart. In diesem Fall trage der Architekt die Darlegungs- und Beweislast, dass dem nicht so sei. Es bedürfe insoweit eines substantiierten Vortrags des Auftraggebers, bei dem sämtliche Umstände zu würdigen seien, während an die Beweisführung des Architekten keine zu hohen Anforderungen zu stellen seien. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genüge eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vortrage, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet seien, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich sei, wie wahrscheinlich die Darstellung sei, und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien bestehe. Der Pflicht zur Substantiierung sei mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen könne, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt seien. Je nach Prozesslage seien die Parteien gehalten, ihren Vortrag näher zu konkretisieren. Anlass dazu bestünde, wenn der Vortrag infolge der Einlassung des Gegners unklar werde und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulasse. Der erforderliche Grad an Substantiierung hänge davon ab, wie konkret und detailliert der Gegenvortrag sei. Zur Beurteilung der Schlüssigkeit einer Klage seien im Rahmen einer streitigen Entscheidung neben den als wahr unterstellten Angaben des Klägers auch die unstreitigen Tatsachen zugrunde zu legen, selbst wenn diese von der Beklagten vorgetragen werden. Unstreitig gebliebener Sachvortrag stelle sich als Vortrag beider Parteien dar.

Praxishinweis:

Bei Großprojekten wie z. B. Investorenmodellen ist zu berücksichtigen, dass Architekten häufig bereit sind, auch umfangreiche Architektenleistungen zu erbringen, um eine mögliche, aber noch nicht gesicherte Realisierung zu fördern. Darlegungs- und beweisbelastet für den Abschluss eines vergütungspflichtigen Architektenvertrags ist stets der Architekt. Die Tätigkeit eines Architekten im Rahmen seiner Akquisetätigkeit begründet in der Regel keinen Anspruch auf Vergütung. Die Akquisephase endet, sobald eine Honorarvereinbarung getroffen wird, oder wenn (Planungs-)Leistungen entgegengenommen und verwertet werden. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, der besagt, dass die Grenze zwischen Akquisition und Vertrag spätestens mit der Erbringung von Leistungen, die der Leistungsphase 2 der HOAI zuzuordnen sind, überschritten wird.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass der Satz „auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“ sehr viel Wahrheit für sich beanspruchen kann. Mit etwas anderer Argumentation hätte das Gericht bei Anwendung seiner – richtigen –Prämissen nämlich auch zum gegenteiligen Schluss gelangen können. Eins macht die Entscheidung jedoch überdeutlich: Ein Vertrag sollte „am Bau“ IMMER schriftlich fixiert werden!

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