Rechtsprechung

Auch bei handwerklichen Selbstverständlichkeiten genau hinschauen!

OLG München, Urteil vom 20.01.2021 – 20 U 2534/20 (im Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht rechtskräftig)

Nicht in jedem Ausführungsmangel ist auch automatisch ein Bauüberwachungsfehler zu sehen. Vielmehr muss den jeweiligen ArchitektInnen ein Bauüberwachungsfehler insgesamt auch vorzuwerfen sein. Bei handwerklichen Selbstverständlichkeiten müssen ArchitektInnen grundsätzlich nicht minutiös bei der Ausführung danebenstehen. Es gibt aber auch Fälle, in denen auch aus der mangelhaften Ausführung handwerklicher Selbstverständlichkeiten der Beweis des ersten Anscheins folgt (für ArchitektInnen widerlegbar), dass der Bauüberwachungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen wurde. Die Folge ist sonst nämlich oft: ArchitektInnen stehen voll in der Haftung. Das Oberlandesgericht München hatte hierzu folgenden Fall zu entscheiden:

Ein Bauherr beauftragte einen Architekten mit der Planung und Bauüberwachung eines Hauses. Bei der Ausführung der Bauarbeiten kam es zu Mängeln in der Abdichtung. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger stellte fest, dass es zu Leckagen in der Abdichtungsebene im Bereich der Schweißnähte gekommen war. Der Bauherr nahm daraufhin den Architekten auf Schadensersatz wegen Bauüberwachungsfehlern in Anspruch. Dieser hielt dem Bauherrn entgegen, dass er seiner Bauüberwachungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen sei, er vielmehr nicht handwerkliche Selbstverständlichkeiten überwachen müsse. Dies sah das Oberlandesgericht München anders. Abdichtungsarbeiten seien allgemein als besonders gefahrgeneigte Arbeiten einzuordnen (so auch OLG Brandenburg, Urteil vom 30.03.2018 – 12 U 71/16). Wenn es daher bei solchen gefahrgeneigten Arbeiten zu Ausführungsmängeln kom-me, dann spreche bereits der Beweis des ersten Anscheins für eine Verletzung der Bauüberwachungspflicht (so z.B. auch BGH, Urteil vom 16.05.2002 – VII ZR 81/00). Nach der Auffassung des Oberlandesgericht Münchens sei dies auch nicht anders zu sehen, wenn es sich bei der Ausführung von Schweißnähten um handwerkliche Selbstverständlichkeiten handelt. Die besonders gefahrgeneigten Arbeiten seien insgesamt zu betrachten, an deren Erfolg auch handwerkliche Selbstverständlichkeiten wie hier die Schweißnähte maßgeblich zum Werkefolg beitragen. Daher müsse auch bei diesen Arbeiten eine besondere Bauüberwachung erfolgen, die den gefahrgeneigten Arbeiten insgesamt gerecht werde. Der Architekt hätte daher zumindest nach Abschluss, bevor die Arbeiten zugebaut werden, diese beweisbar kontrollieren müssen. Dies folge auch daraus, dass die Ausführung dieser Arbeiten nur kurzzeitig kontrollierbar seien und daher die Arbeiten bereits vor Realisierung von Mängeln am Bauwerk rechtzeitig verhindert und die Beseitigung veranlasst werden müssen (so auch OLG München, Urteil vom 08.06.2010 – 28 U 2751/06).

Im Ergebnis haftet der Architekt hier nun also für die fehlerhafte Bauüberwachung. Gerade im Bereich der Abdichtungen ist darüber hinaus der Schadensumfang regelmäßig hoch.

Auch wenn die Entscheidung gegenwärtig noch keine Rechtskraft erlangt hat, macht sie doch einmal mehr überdeutlich: Nur eine umfassende Dokumentation und genaues Hinschauen vermag ArchitektInnen und IngenieurInnen zuverlässig vor einer – in der Regel späteren – Inanspruchnahme für Schäden zu schützen. Dokumentieren Sie also auch das, was Ihnen selbstverständlich zu sein scheint.

Es bleibt bei dem alten Grundsatz: Bei Gefahr immer - und bei allen damit zusammenhän-genden Arbeiten - genau hinschauen und dokumentieren!

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