Wann bekommt der Planer Geld für eine nachträgliche Anordnung des Bauherrn?
Änderungen des Bauherrn, die den Planinhalt und -umfang betreffen, haben Auswirkungen auf die Architektenvergütung gemäß HOAI. Doch welche?
Mit der Einführung des Bauvertragsrechts in das BGB zum 1.1.2018 wurde nunmehr erstmals auch der Architektenvertrag im BGB in Grundzügen geregelt (§§ 650p bis 650t BGB). Dabei wurden auch Regelungen des ebenfalls neu in das BGB integrierten Bauvertragsrechts für anwendbar erklärt, vgl. § 650q BGB. Besonderes Augenmerk ist dabei auf das Anordnungsrecht des Bauherrn zu richten, wenn es darum geht, die Vergütungsfolgen für das Honorar des Architekten zu ermitteln. Das Anordnungsrecht betrifft sowohl den Planinhalt als auch den Umfang der Planungsleistungen, notwendige sowie auch willkürliche Änderungen, Grund- sowie auch besondere Leistungen. Anscheinend hat also der Gesetzgeber diesen immer wieder streitanfälligen Bereich endlich und zufriedenstellend geregelt. Leider nur scheinbar!
Ordnet der Bauherr Änderungen an, so haben sich die Vertragsparteien zunächst auf Basis eines Nachtragsangebots, welches der Architekt bzw. Ingenieur zu stellen hat, zu einigen. Hier kommt ein Grundsatz der Gesetzesreform zum Tragen, die die Parteien stets zu einem kooperativen Verhalten anhalten will und hier der Einigung den Vorrang vor einer gerichtlichen Klärung von Ansprüchen geben will. Dieses ehrgeizige Ziel ist im Baualltag zwar wünschenswert, jedoch oft nur theoretischer Natur. Leider herrscht im Baualltag doch zumeist die Konfrontation, bzw. der zutiefst deutsche Gedanke, recht zu haben und dies auch durchsetzen zu wollen. Schlagen Einigungsversuche fehl und fehlen entsprechende vertragliche Vereinbarungen, bleiben nur noch die gesetzlichen Bedingungen und im schlimmsten Fall eine gerichtliche Klärung.
Für Änderungsbegehren des Bauherrn heißt dies zunächst Folgendes:
Kommt keine Einigung zustande und liegen die Voraussetzungen für die einseitige Anordnung von Änderungsleistungen auch im Übrigen vor, kann der Bauherr die Änderungen einseitig gegenüber dem Architekten/Ingenieur anordnen.
Die spannende Frage – die sich hier Architekten/Ingenieure wie anordnende Bauherren gleichermaßen stellen – ist, wie sich dann die Vergütung des Architekten/Ingenieurs nach der Änderungsanordnung entwickelt.
Die gesetzliche Regelung trägt an dieser Stelle nicht zur Klarheit bei. Im Gegenteil! In § 650q Abs.2 BGB wird die Vergütungsfolge nur im Ansatz geregelt. So richtet sich die Ermittlung der Höhe des Anspruchs zunächst danach, ob das verbindliche Preisrecht der HOAI überhaupt Anwendung findet. Dieses gilt aber nur für Grundleistungen. In diesem Fall sollen die HOAI-Regelungen Anwendung finden. In der HOAI regelt der § 10 HOAI Leistungsänderungen. Insoweit werden dort zwei Anwendungsbereiche der Leistungsänderung unterschieden. Zum einen wird die Konstellation geregelt, dass der Planungsinhalt einvernehmlich vor dessen Ausführung geändert wird, vgl. § 10 Abs.1 HOAI. Dann soll das Honorar über die Veränderung der anrechenbaren Kosten durch eine Vereinbarung angepasst werden. Zum anderen wird die Konstellation geregelt, dass es Änderungen nach Ausführung der Planungsleistung gibt, ohne dass sich die anrechenbaren Kosten verändern, vgl. § 10 Abs.2 HOAI. Folge ist die Wiederholung von Grundleistungen, wonach sich auch das Honorar richtet und eine Vereinbarung getroffen werden soll.
Das Problem ist nur, dass § 10 HOAI eine Einigung der Parteien über die Anordnung und die Honorarfolge voraussetzt und insoweit keinen Anspruch auf eine Honoraränderung nach einseitiger Änderungsanordnung begründet. Die Begründung zum Regierungsentwurf der Norm hat dieses Problem ebenfalls gesehen, überlässt aber die Lösung ausdrücklich der Rechtsprechung.
Für Leistungen, die nicht der HOAI unterliegen, kann ein Honorar frei vereinbart werden. Scheitert eine Einigung, dann sollen die Mehr- oder Minderkosten anhand der tatsächlichen Kosten gemäß § 650c BGB berechnet werden. Da für Architekten und Ingenieurleistungen hierzu regelmäßig die passenden Bezugsgrößen fehlen – z. B. wie hoch sich der stundenmäßige Mehraufwand für eine bestimmte Änderung üblicherweise darstellt, wie hoch eine übliche Stundenvergütung ist und auch meist keine Urkalkulation hinterlegt wird – gestaltet sich eine Berechnung nach den tatsächlichen Kosten äußerst schwierig. Auch hier besteht die Gefahr, dass die Ermittlung des Honorars rechtlich in unsicheres Fahrwasser gerät.
Im Ergebnis verbleibt für den Architekten/Ingenieur, der sich einer einseitigen Änderungsanordnung des Bauherrn ausgesetzt sieht, ein beträchtliches rechtliches Risiko, was die Vergütungsfolge anbelangt. Die Druckmittel, die Bauunternehmer in § 650c Abs.3 (80%-Regelung) und § 650d (erleichterte einstweilige Verfügung) BGB für den Fall einer gescheiterten Einigung an die Hand bekommen haben, gelten für Architekten- und Ingenieurverträge nämlich nicht. Scheinbar ist dies zwar der Fall, da § 650q Abs.2, S.3 BGB ausdrücklich auf § 650c BGB und damit – so könnte man meinen – auch auf dessen Abs.3, also die 80 %-Regelung verweist. Der Abs.2 des § 650q regelt jedoch ausschließlich die Vergütungsanpassung, nicht jedoch wie § 650c Abs. 3 BGB Abschlagszahlungen.
Ob hier nur ein redaktionelles Versehen vorliegt und auch auf diese Regelung verwiesen wird, muss die Rechtsprechung in den nächsten Jahren ebenso klären wie auch die Vergütungsfolge für Änderungsleistungen an sich. Möglich wäre ggf. eine Anpassung über eine ergänzende Vertragsauslegung oder nach Treu und Glauben. Dies birgt jedoch ein enormes rechtliches Risiko und damit auch ein ebenso großes Konfliktpotential zwischen den Parteien. Es empfiehlt sich daher, bereits im Architekten- und Ingenieurvertrag ein detailliertes Änderungsmanagement zu implementieren, sodass spätere Streitigkeiten zwischen den Parteien wegen der Vergütungsfolge minimiert werden können.
Es gilt also einmal mehr: Nur eine vorsorgende Regelung möglicher Konflikte kann deren Entstehen zuverlässig verhindern!