Rechtsprechung

Wer nicht sagt, was er baut, bekommt auch nicht den Schallschutznachweis, den er will!

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.05.2020 - 15 U 126/19; BGH, Beschluss vom 23.06.2022 - VII ZR 79/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Wird der/die IngenieurIn mit dem Schallschutznachweis beauftragt und kann er/sie davon ausgehen, dass die Planung und Errichtung eines Gebäudes mit zwei Wohneinheiten vorgesehen ist, liegt kein Mangel vor, wenn der Schallschutznachweis nicht die Anforderungen an ein Doppelhaus erfüllt.

Der Sachverhalt:

Aufgrund des Angebots vom 27.01.2015 beauftragte die Klägerin (K), welche die Errichtung eines Doppelhauses beabsichtigte, den beklagten Ingenieur (B) mit der Tragwerksplanung und dem Schallschutznachweis für ein Bauvorhaben. Die K machte dem B keine Vorgaben hinsichtlich der Haustrennwand und überließ ihm die Bauantragspläne sowie den Antrag im Kenntnisgabeverfahren. In diesen Plänen ist die Trennwand zwischen den Gebäuden grafisch nicht anders dargestellt als die anderen Wände. Mangels anderer Angaben ging der B von einem Gebäude mit zwei Wohneinheiten aus und kreuzte im Schallschutznachweis die Rubrik „Gebäudeeinheit mit Wohnungen und Arbeitsräumen, mit zwei Wohnungen“ an. Der B bestätigte einen ausreichenden Schallschutz mit 53 dB für die Trennwand und mit 55 dB in den übrigen Geschossen. Einwände erhob die K hiergegen nicht und zahlte die Schlussrechnung in vollem Umfang. Die K machte danach geltend, der Schallschutznachweis erfülle nicht die Anforderungen an ein Doppelhaus und sei daher mangelhaft. Dieser müsse mindestens 67 dB ausmachen. Für die Ertüchtigungen seien Kosten in Höhe von rund 106.000 € erforderlich. Die K machte diese und weitere Schäden als Schadensersatz gegen den B geltend.

Die Entscheidung:

Jedoch ohne Erfolg! Ein Anspruch des Bestellers gegen den Ingenieur aus § 633, 634 Ziff. 4, § 280 BGB bestehe nicht. Der Schallschutznachweis sei nicht mangelhaft. Nach dem Inhalt des Vertrages schulde der Ingenieur keine Planung. Ihm obläge es nicht, die Ausführungsart der Haustrennwand in ein- oder zweischaliger Form festzulegen. Diese Aufgabe falle dem Architekten und nicht dem (Fach-) Ingenieur zu. Geschuldet sei nur der Schallschutznachweis. Der vorgelegte Schallschutznachweis sei zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeignet. Der Ingenieur habe den zur Erreichung der Baugenehmigung erforderliche Nachweis zu erbringen. Hierfür sei es ausreichend, die Mindestschallwerte der DIN 4109 zu Grunde zu legen. Der vereinbarte Zweck, die Erteilung der Baugenehmigung, sei auch erreicht worden. Eine Hinweispflicht des Ingenieurs bestünde ebenfalls nicht. Er müsse nicht erkennen, dass der vom Besteller vorgegebene Schallschutz unzureichend ist. Dem Ingenieur sei nicht bekannt gewesen, welchen Schallschutz der Besteller erreichen wolle. Aus den überlassenen Unterlagen ergäbe sich nicht, dass der Besteller ein Doppelhaus errichten wolle. Vielmehr könne der Ingenieur von einem Wohnhaus mit zwei Wohneinheiten ausgehen. Selbst in den Plänen seien die Trennwände grafisch nicht so dargestellt, dass man von Trennwänden zwischen den Häusern ausgehen müsse. Die überlassenen Planunterlagen seien auch nicht unvollständig, vielmehr sei auf dieser Grundlage die Berechnung des Schallschutzes möglich.

Praxishinweis:

Kann der/die IngenieurIn also die Anforderungen „Doppelhaus“ nicht erkennen, besteht auch keine Hinweispflicht, wenn er seiner Berechnung ein Gebäude mit zwei Wohneinheiten zu Grunde legt. Wird wie vorliegend ein Mangel verneint, stellt sich im Zusammenhang mit der Mängelhaftung die Frage einer Hinweispflicht nicht. Ihr Ziel ist es einzig, den/die IngenieurIn von der Haftung zu befreien. Die Frage der Haftungsbefreiung stellt sich indes nicht, wenn keine Haftung angenommen wird. Nicht vergessen werden sollte jedoch die Verletzung der Hinweispflicht als Nebenpflicht, welche stets einen Anspruch aus § 280 BGB begründen kann.

Hier ging es zwar „nur“ um den Schallschutznachweis. Die Entscheidung lässt sich aber verallgemeinern: Man könnte sich also merken, dass ein Mangel nur dann angenommen werden kann, wenn eine (negative) Abweichung zu dem besteht, was Grundlage des Vertrages wurde. Und dieser Inhalt ist durch Auslegung zu ermitteln. Wenn der Auftraggeber also nicht deutlich gemacht hat, was genau er bauen will und nur ein „Weniger“ als vereinbart angesehen werden kann, dann kann er eine (negative) Abweichung zu seiner weitergehenden Vorstellung auch nicht als „Mangel“ geltend machen. Eigentlich eine Binsenweisheit, auf die der BGH hier hingewiesen hat.

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