Verletzung von Elementarwissen eines Architekten: Versicherungsschutz ausgeschlossen
OLG Köln, Beschluss vom 10.08.2023 - 9 U 241/22; BGH, Beschluss vom 19.06.2024 - IV ZR 182/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)Die Planung einer Abdichtung bei der Sanierung eines Gebäudes, das 40 Jahre alt ist, ist eine Kardinalpflicht des Architekten. Der Versicherungsschutz wegen Planungsfehlern ist ausgeschlossen, wenn der Architekt als Versicherungsnehmer bewusst pflichtwidrig gehandelt hat. Das Bewusstsein wird indiziert, wenn der Architekt Elementarwissen verletzt. Die Notwendigkeit der Abdichtung bei einer Sanierung eines 40 Jahre alten Gebäudes gehört zum Elementar- und Primitivwissen eines Architekten.
Der Sachverhalt:
Der Auftraggeber schloss mit dem Auftragnehmer 2009 einen Architektenvertrag über die Sanierung seines Mitte der 1960er Jahre errichteten Wohnhauses. Im Zuge der Umbaumaßnahmen wurden der Einliegerwohnung im Keller weitere Kellerräume zugeschlagen. Anlässlich einer Bestandsaufnahme im November 2009 hielt der Auftragnehmer hinsichtlich der Giebelwand im östlichen Kellerraum schriftlich fest: "Feucht Schäden, Putz ist abgängig". In einer Kostenrechnung vom Mai 2010 schlug der Auftragnehmer dem Auftraggeber vor, eine Perimeterdämmung an den erdberührten Außenwänden auszuführen. Dieser Vorschlag wurde nicht ausgeführt. Der Auftragnehmer wies den Auftraggeber nicht darauf hin, dass der Verzicht auf diese Maßnahme innerhalb weniger Jahre zu einem massiven Feuchtigkeitsschaden in der Einliegerwohnung im Kellergeschoss führen könnte. Im Jahr 2015 traten in der Einliegerwohnung Feuchtigkeits- und Schimmelschäden auf. Die Wand war mit echtem Hausschwamm befallen. Der Auftraggeber nahm den Auftragnehmer wegen der Schäden gerichtlich erfolgreich auf Schadensersatz in Höhe von rund 110.000 Euro in Anspruch. Über das Vermögen des Auftragnehmers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Daraufhin nahm der Auftraggeber den Berufshaftpflichtversicherer des Auftragnehmers in Anspruch.
Die Entscheidung:
Ohne Erfolg! Grundsätzlich hat der Versicherungsnehmer einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegenüber dem Versicherer. Der Geschädigte kann in Ausnahmefällen direkt gegen den Versicherer vorgehen, wenn eine Pflichtversicherung vorliegt und der Versicherungsnehmer insolvent ist (§ 115 Versicherungsvertragsgesetz). Die Berufshaftpflichtversicherung für Architekten und Ingenieure ist gemäß den jeweiligen Landesgesetzen eine verpflichtende Versicherung. Da der auftragnehmende Architekt insolvent war, konnte hier ein Direktanspruch geltend gemacht werden. Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Regelwerke beinhalten mehrere Ausschlusstatbestände, darunter auch den Ausschluss bei bewusster Pflichtwidrigkeit. Danach besteht kein Versicherungsschutz für Ansprüche aufgrund von Schäden, die der Versicherungsnehmer durch ein bewusst pflichtwidriges Verhalten verursacht. Der Versicherer muss dieses Bewusstsein darlegen und beweisen. Bei einer Verletzung grundlegender Pflichten wird das Bewusstsein für die Pflichtwidrigkeit vermutet.
Jedem Architekten muss bewusst sein, dass eine Abdichtung notwendig ist und in diesem Fall entweder fehlt oder mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft nicht mehr funktionsfähig sein wird. Das Gebäude war 40 Jahre alt, wodurch sich die Frage nach horizontaler und vertikaler Abdichtung aufdrängte, insbesondere in schadenanfälligen Bereichen. Dieses Wissen gehört zum grundlegenden Fachwissen eines Architekten. Da der Architekt nicht erklären konnte, wie dieser Verstoß unwissentlich geschehen konnte, wurde der Ausschlusstatbestand angenommen.
Praxishinweis:
Eine wissentliche Pflichtverletzung, die zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führt, begeht nur der Versicherungsnehmer, der die verletzten Pflichten positiv kennt. Bedingter Vorsatz, bei dem er die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus wie fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherungsnehmer die Pflichten zutreffend gesehen hat und das Bewusstsein hatte, pflichtwidrig zu handeln.
Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der Versicherer. Er muss darlegen, der Versicherungsnehmer habe gewusst, wie er sich hätte verhalten müssen. Dies bedeutet, dass zunächst der Versicherer einen Sachverhalt vorzutragen hat, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zumindest hindeutet.
Der Vortrag weiterer zusätzlicher Indizien ist nach ständiger Rechtsprechung dann entbehrlich, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann. Diese Grundsätze gelten auch für den Direktanspruch gegen die Versicherung gemäß § 115 Versicherungsvertragsgesetz.